• Inhalt

  • Die Entstehung

    1890/1902

    Bau der Falkenried-Terrassen (20 Kopfbauten mit 124 Wohnungen und 20 Ladenlokalen, 89 Terrassenhäuser mit 534 Wohnungen). Im Rahmen der Hamburger Stadterweiterung nach damals neuesten wohnhygienischen Vorstellungen (keine Kellerwohnungen, Anschluss an öffentliches Trink- und Abwassernetz, gute Durchlüftungsmöglichkeit der Wohnungen) in allerdings einfachster Bauqualität als Renditeobjekt.

    Die Kleinwohnungen (30 - 50 qm) werden als Arbeiterwohnungen zum einen für die "Sanierungsopfer" der Freihafenerweiterung (Kehrwieder- und Wandrahminsel), zum anderen für die Beschäftigten des gegenüber gelegenen Großbetriebs der Straßen-Eisenbahngesellschaft (Straßenbahndepot, Wagenbauanstalt und Centralreparaturwerkstatt) geplant.  

    Erste Probleme

    1923-1932

    30 Jahre nach ihrer Errichtung befinden sich die Häuser in sehr schlechtem Zustand. Während der Inflationszeit wechseln mehrfach (z.T. täglich) die Hauseigentümer. Notwendige Reparaturen und Instandsetzungen unterbleiben.

    Erste Mieterproteste (z. B. Mietminderung, Einschaltung des Wohnungspflegeamtes) um Reparaturen zu erzwingen. Vollstreckung eines Zwangsgeldes in Höhe von 650 Billionen RM.

    1932

    Gründung eines Mieterrates um die Verbesserung der Wohnbedingungen zu erreichen. Mieterversammlungen mit dem Verlangen nach Verlegung elektrischen Lichtes, ordnungsgemäßer Müllabfuhr, Rattenbekämpfung, Anstrich der Treppenhäuser, Pflasterung der Terrassen. Durchsetzung der Ziele nach Mietminderung.  

    Nazi-Zeit und Krieg

    1933

    Die Terrassenbewohner sind größtenteils SPD/KPD-orientiert bzw. organisiert. Das Viertel gilt als "rote Hochburg". So wird es von den Nazis als Unruheherd eingestuft und entsprechend rigoros gehen sie mit Razzien und gezielten Übergriffen gegen Bewohner des Viertels vor. Einen Tag nach der "Machtübernahme" z. B. werden die Terrassen abgeriegelt, alle Wohnungen durchsucht, zahlreiche Bewohner verhaftet bzw. misshandelt.

    Der Hitlerjunge Otto Blöcker wird angeblich in einem organisierten Anschlag mit Beteiligung von "roten" Terrassenbewohnern ermordet. Im folgenden Prozess werden mehrere Bewohner zum Tode verurteilt und hingerichtet, andere mit langjährigen Zuchthausstrafen bestraft. Die Straße Falkenried wird 1934 in Otto-Blöcker-Straße umbenannt.

    Das Verbot der roten Fahnen zum Tag der Arbeit am 1. Mai regt die Fantasie der Falkenried-Bewohner an: Anstelle der verordneten Hakenkreuzfahnen legen sie ihre roten Betteninlets in die Fenster.  

    Anfang der 1940er Jahre

    Für den Bau des Hochbunkers im Rahmen des Luftschutzbauprogramms müssen vier Terrassenhäuser weichen.  

    1943

    Zerstörung eines Teils der Olgapassage (Zwei Kopfbauten und 6 Terrassenhäuser) und der SAGA-Terrasse (3 Terrassenhäuser) durch Brandbomben. Ein Kopfbau in der Olgapassage wird nach dem Krieg wieder aufgebaut.  

    Falkenried als Sanierungsgebiet

    Anfang der 60er Jahre

    Die Stadt Hamburg beginnt, über eine städtebauliche Neuordnung des Gebietes der Falkenried-Terrassen nachzudenken. Abriss- und Neubaupläne im Sinne einer Flächensanierung werden entwickelt. 1961 Festlegung als Sanierungsgebiet.  

    1974

    1965-1973

    Neue Heimat Nord und SAGA kaufen den größten Teil der Wohnungen (Neue Heimat: 13 Kopfhäuser und 54 Terrassenhäuser; SAGA: 2 Kopfbauten und 11 Terrassenhäuser; restliche Häuser verbleiben im Besitz dreier Privateigentümer) im Auftrag der Stadt auf, um Abriss und Neubebauung (citynahe Appartementwohnungen für zahlungskräftige Mieter) durchzuführen. Diese Sanierungspläne haben bis Mitte der 80er Jahre Bestand. Da der Abriss der Terrassen festzustehen scheint, wird die Instandhaltung der Häuser weiter vernachlässigt.  

    Die Mieterinitiative wird gegründet

    1973

    Die Mieterinitiative Falkenried/Löwenstraße wird gegründet mit dem Ziel, gegen Abriss und systematisches Verfallenlassen der Häuser zu kämpfen.

    Die Bewohner müssen sich nicht nur gegen die Abrisspläne der Eigentümer, sondern auch gegen eine starke Öffentlichkeit wehren, die es als menschenunwürdig propagiert, in den Terrassen zu wohnen. Dadurch, dass versäumt wird, Wohnungen instand zu setzen, stehen zunehmend Wohnungen leer und werden für unbewohnbar erklärt.  

    1974

    Protestveranstaltungen, Demonstrationen, Flugblätter, Mietminderungsaktionen, Prozesse, Solidaritätsanktionen mit anderen Mieterinintiativen, Diskussionen mit Parteien, Behörden und Hauseigentümern, starke Öffentlichkeitsarbeit, Straßenfeste und kulturelle Veranstaltungen prägen die Arbeit der Mieterinitiative.  

    1976

    Die Neue Heimat beauftragt die Firma Projektplan mit einer Instandsetzungskosten-Untersuchung. Ergebnis: Die Kopfbauten sollen renoviert, die Terrassenhäuser abgerissen werden.  

    1978

    Erster Appell der Bezirksversammlung Hamburg-Nord: Erhalt der Terrassen, Forderung nach Instandsetzung, Modernisierung, Beteiligung der Mieter.  

    1979

    Baumpflanzaktion des Bezirkes Nord in allen Terrassen.  

    1980

    Mieter der SAGA-Terrasse malen ihre Fassaden selbst an.  

    1981

    Ein vertrauliches Papier des amtierenden Bausenators spricht vom schrittweisen Abriss der Terrassen.

    Erstes Nachdenken der Mieterinitiative über Mieterselbstverwaltung und Genossenschaft.

    Die Bezirksversammlung beschließt den mittelfristigen Erhalt der Terrassenhäuser.  

    1981/82

    Die SAGA-Häuser werden instandgesetzt.  

    1982 bis 84

    Die Kopfbauten der Neuen Heimat werden instandgesetzt und modernisiert.  

    1982

    Gründung des Vereins Mieterinitiative Falkenried-Terrassen von 1973 Hamburg-Eppendorf e.V. Der Bunker wird von Künstlern und Bewohnern mit finanzieller Förderung der Kulturbehörde bemalt.

    Der Hamburger Senat beschließt die sofortige Instandsetzung der stadteigenen Terrassenwohnungen und die Erarbeitung eines städtebaulichen Erneuerungskonzeptes bis Mitte 1983.  

    1983

    Instandsetzungs-Gutachten der Kossak-Gruppe (Uni Hamburg): Die ermittelten Instandsetzungskosten decken sich nicht mit den Werten der Neuen Heimat. Die NH-Kosten sind mehr als doppelt so hoch. Das Gutachten "verschwindet" in Schubladen.  

    Sowas muss man erhalten!

    1984

    Bürgermeister Klaus von Dohnanyi besucht die Terrassen. Sein Kommentar: "Sowas muss man erhalten!"  

    1985

    Die Mieterinitiative beauftragt Stattbau Hamburg als Sanierungsträger. Erneute Verhandlungen mit der Neuen Heimat um ein Modellprojekt scheiteren ohne Ergebnis.  

    1986

    "Ideenreich im Falkenried" veröffentlicht sein erstes Kulturprogramm.Die Mieterinitiative Falkenried-Terrassen beantragt drei ABM-Stellen. Die Spekulantin Monika Ahlgrimm kauft in der Bunkerterrasse eine Terrassenseite (2 Kopfbauten und 7 Terrassenhäuser) von einem der letzten Privateigentümer und wandelt sie in luxusmodernisierte Eigentumswohnungen um.

    Die Neue Heimat steht vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Es beginnen zähe, langwierige Verhandlungen mit der Stadt Hamburg zur Übernahme der Wohnungen.  

    1987

    Im Rahmen der AB-Maßnahme wird mit Hilfe der TU Harburg ein Konzept zur ökologisch orientierten Instandsetzung der Terrassen entwickelt. Das Modell der Mieterinitiative zur Instandsetzung und Selbstverwaltung in Form einer Mietergenossenschaft wird allen betroffenen Bewohnern vorgestellt.  

    Gründung der Mietergenossenschaft und Selbstverwaltung

    1988

    Gründung der Mietergenossenschaft Falkenried-Terrassen. Der Senat beschließt nach dreijährigen Verhandlungen die Übernahme des gesamten NH-Wohnungsbestandes in zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften (GWG und WVN). Zähe Verhandlungen der Mietergenossenschaft Falkenried mit diversen Behörden der Stadt Hamburg und der WVN mit dem Ziel des Erwerbs bzw. der Übernahme der Wohnungen beginnen.  

    1990

    Senatsbeschluss über die Finanzierung des Grunderwerbs und der Gunderneuerung der Falkenried-Terrassen.  

    1991

    Ankauf der (ehemaligen Neue Heimat-) Terrassenhäuser durch die Johann-Daniel-Lawaetz-Stiftung. Die Mietergenossenschaft übernimmt zeitgleich die Verwaltung.  

    Die Sanierung

    1992

    Beginn der Grunderneuerung (Instandsetzung und Modernisierung unter Berücksichtigung ökologischer Grundsätze) unter der Federführung der Mietergenossenschaft und starker Beteiligung der Bewohner an der Planung.  

    1993

    Die ersten sanierten Wohnungen können wieder von ihren Bewohnern bezogen werden.  

    1995

    126 von 324 Wohnungen sind fertig gestellt, weitere 48 Wohnungen werden bis um Jahresende saniert und bezogen. Wegen unerwartet großer Schäden durch Hausschwamm entstehen erhebliche Mehrkosten. Die weitere Sanierung wird vorläufig gestoppt.  

    1995

    "Hände weg vom Bunker!" Die Bundesvermögensanstalt will den Bunker in der Löwenstraße an den Meistbietenden verkaufen. Nach einigem Hin und Her einigen sich einer der Bieter und die Mietergenossenschaft, den Bunker gemeinsam zu erwerben. Damit wird die an den Bunker angebaute "Glaserei" Eigentum der Genossenschaft und der größte Teil der Räume kann weiterhin von Genossenschaft und Bunkermietern genutzt werden.  

    Verhandlungen mit Behörden und Politikern wegen des Baustopps, der von der Wohnungsbaukreditanstalt wegen Mehrkosten von 11 Millionen verhängt wurde.  

    1996

    Im April machen Mieter und Genossenschaftler eine sehr medienwirksame Aktion zum Baustopp - "BewohnerInnen verarzten unsanierte Häuser". Sie fordern eine sofortige Freigabe der nötigen Sanierungsgelder.

    Bau- und Sozialbehörde wollen nur zustimmen, wenn die BewohnerInnen sich mit DM 600.000,-- an den 11 Mio. Mehrkosten selbst beteiligten.

    Im Juli bewilligt die Bürgerschaft 10,4 Mio. DM. Im August werden die Bauarbeiten wieder aufgenommen.  

    1997

    Im Januar beschließt die Mieterversammlung Belegungsrichtlinien für die Neuvergabe der ersten 10 Wohnungen.

    Im März legt die Mieterversammlung fest, an welche sozialen Projekte 21 Wohnungen vergeben werden: AJW, Autonome Jugendwerkstätten (3); Lawaetz-Stiftung, Jugend und Wohnen (3); BAGS, Landesreferat zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (15).

    Bei Dacharbeiten während der Sanierung geraten am 2.6. mehrere zu der Zeit nicht bewohnte Häuser der Baumterrasse in Brand. Auch angrenzende bewohnte Häuser der Bunkerterrasse sind betroffen. Im August werden mit einem Richtfest die neuerrichteten Dachtühle gefeiert.

    Mit der Podiumsdiskussion der SPD "Wohnen und Arbeiten im Falkenried" werden der anstehende Verkauf und die mögliche Neubebauung des benachbarten FFG-Geländes bekanntgegeben.

    Zwei weitere Brände in der Olga-Passage folgen am 18. und 28. Dezember. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung. Einige Wochen werden die Häuser im Falkenried rund um die Uhr bewacht.  

    1998

    Im Januar werden die Brandstifter festgenommen: Ein Bewohner der SAGA-Terrasse wollte die SAGA zwingen, den Mietern im Falkenried 3,6 Mio. DM in die Briefkästen zu stecken. Das Geld sei für die Sanierung der SAGA-Terrasse.

    40 Wohnungen sind im Mai neu vermietet: 9 an soziale Projekte, 6 an Familien, 4 an Gründungsmitglieder und 21 an Bewerber vom freien Wohnungsmarkt.  

    Die Sanierung wird beendet

    1999

    Die Sanierung der Falkenried-Terrassen wird erfolgreich abgeschlossen. Die Bausubstanz wurde langfristig gesichert. Die Selbstverwaltung durch die Mietergenossenschaft seit 1991 hat sich bewährt.

    Im Mai zieht der letzte Mieter aus der Umsetzwohnung zurück in seine sanierte Wohnung in der Olga-Passage. Von den 324 genossenschaftseigenen Wohnungen sind im Juni 110 neu vermietet, davon 12 an Familien und 21 an soziale Projekte.

    Am 2. Juli veranstaltet die Genossenschaft einen Empfang für Vertreter von Projekten und Behörden, sowie Einzelpersonen, die zum Erhalt der Terrassen beigetragen haben. Als Dankesgeste wird eine Gedenktafel der Genossenschaft enthüllt unter dem Motto "Wir können hier wohnen bleiben!"  

    1999

    Im August begehen die Falkenried-BewohnerInnen und die Nachbarschaft den Abschluss der Sanierung mit einem Fest in der Baumterrasse.

    Erste Teile eines Zukunfts-Programms werden im Oktober von der Mieterversammlung beschlossen. Mit neuen Schwerpunkten werden alte und neue Aufgaben, die organisatorischen Strukturen und der wirtschaftliche Rahmen neu formuliert.  

    2000

    Eine Infoveranstaltung der Investoren des FFG-Geländes lässt befürchten, dass z. B. erheblich mehr Straßenlärm und eine stärkere Verschattung des Falkenried und der angrenzenden Terrassenhäuser die Nachbarschaft auf Dauer beeinträchtigen würden. Dagegen protestieren einige Anwohner.

    Im September gründet die Mietergenossenschaft Falkenried-Terrassen eG mit Stattbau GmbH und GATE GmbH die P99 Gebäude-Verwaltungs-Gesellschaft mbH.  

    ...und danach?

    2011 - Der Bunker wird saniert

    Die Fassade des bereits in den achtziger Jahren von Künstlern gestalteten Hochbunkers war mittlerweile marode geworden. Außerdem wollte der Mit-Besitzer des Bunkers einige Veränderungen in der Fasade vornehmen. Aus diesem Anlass wurde der Bunker von den Künstlern Sönke Nissen und Eckhart Keller, die bereits die erste Gestaltung gemacht haben, noch einmal restauriert und das Bild in dem Zuge umkomponiert. Zu den ursprünglich dargestellten Personen, alles Bewohner der Falkenried-Terrassen, kamen neue Personen hinzu.  

    In diesem Jahr feierte die Genossenschaft das 20. Jahr der Selbstverwaltung.  

    2013 - Die Häuser stehen unter Denkmalschutz

    Im Jahr 2013 wurde das Denkmalschutzgesetz so geändert, dass die Falkenried-Terrassen-Bewohner nun in einem Denkmal wohnen.